Der Entrepreneurs Campus ist eine zentrale Einrichtung der Universität Ulm mit verschiedenen Transferprojekten. Der Campus wendet sich an kreative, gestaltungswillige Akademiker:innen, die ihre Idee zu einem Produkt beziehungsweise einem Geschäftsmodell weiterentwickeln wollen.
Frau Dr. Stelzer, den Entrepreneurs Campus an der Universität Ulm gibt es seit Mai 2022. Wie hat sich der Entrepreneurs Campus seit der Gründung entwickelt und was sind ihre Ziele?
Dr. Stelzer: »Im Jahr 2022 wurde der Entrepreneurs Campus gegründet, wir sind aus einer Projektstruktur heraus entstanden und sind nun Bestandsstruktur. Thematisch als auch personell sind wir im Wachstum. Mit regionalen Multiplikatoren sind wir sehr gut vernetzt, wir stehen aktiv in regem Austausch. Der Entrepreneurs Campus ist eine zentrale Einrichtung zwischen Forschung und Verwaltung. Wir begleiten bei Gründungen und helfen Forschenden, Wissen und Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen und unternehmerisch tätig zu werden, also ein Start-up zu gründen. Ich brenne dafür, Menschen zu begeistern und ein Stück weit dazu beitragen zu können, die Zukunft zu gestalten und etwas zu erreichen. Ich möchte explizit erwähnen, dass wir nicht nur eine Einrichtung zur Gründungsförderung sind, sondern in der Breite Anschluss schaffen wollen an das Thema Zukunftsgestaltung. Wir werden zwar an der Zahl der Gründungen gemessen, aber mein Ziel ist, dass alle Studierenden an der Universität Ulm zumindest einmal mit uns in Berührung kommen, um einen Einblick zu erhalten. Ich selbst war zwei Mal auf dem Weg zur Gründung und finde dieses „Machertum“ großartig und zudem notwendig. Wir müssen Probleme innovativ und transformativ lösen, um eine nachhaltige Lebenswelt zu schaffen. Unsere Arbeit basiert auf den Säulen Entrepreneurship Education und Gründungsberatung, dazu bieten wir regelmäßig Veranstaltungen, Kurse und auch Workshops an. Wir führen Lehrveranstaltungen durch und bieten auch Coachings an, zur klassischen Begleitung von Gründungsvorhaben. Wir öffnen Türen hin zu Fachberatungen oder Marktplayern und möchten eben das anbieten, was benötigt wird. Außerdem begleiten wir die Gründungsvorhaben auf dem Weg und nach Erteilung eines EXIST-Gründungsstipendiums oder EXIST-Forschungstransfers des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), zwei wesentliche Finanzierungsmöglichkeiten
für Akademiker:innen, die ausgründen möchten.«
»Wir begleiten bei Gründungen und helfen Forschenden, Wissen und Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen und unternehmerisch tätig zu werden, also ein Start-up zu gründen.«
Können Sie die Hauptziele und Schwerpunkte des Entrepreneurs Campus erläutern, insbesondere im Hinblick auf Technologien und Entrepreneurship?
Dr. Stelzer: »Um die großen Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich anzugehen, können wir nicht in unseren klassischen Denkmustern bleiben. Wir benötigen Kreativität bei der Ideenentwicklung und dafür haben wir in unserer akademischen Welt noch keine allzu große Wertschätzung. Das ist keine Entweder-Oder-Entscheidung, vielmehr dreht es sich darum, Expertise in Lösungsprozesse einbringen zu können. Ich denke, dass es dazu Transformatoren braucht, Menschen, die dieses Mindset des Aufbruchs mitbringen und sich einbringen können. Ansonsten, bin ich der Ansicht, bleiben wir auf unseren ausgetretenen Pfaden. Wir werden uns dort zwar auch stetig inkrementell verbessern – Technologiesprünge werden wir so jedoch nicht erreichen. Ich halte es daher für sehr wichtig, in der frühen Phase technischer Innovationen
auch mutig sein zu dürfen. Und wenn dieses Profil nicht auf junge Menschen im Studium zutrifft, auf wen denn dann? Der Entrepreneurs Campus ist für die Universität ein wesentlicher Schritt, diesen Kulturwandel auch strukturell abzubilden durch eine fakultätsübergreifende Einrichtung.
»Wir müssen Probleme innovativ und transformativ lösen, um eine nachhaltige Lebenswelt zu schaffen.«
Wie sieht der Entrepreneurs Campus die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung, insbesondere in Bezug auf „Deep Technologies“ und deren Nachhaltigkeit?
Dr. Stelzer: »Wir betreuen technologieintensive Teams, schätzen Fachexpertise und stellen uns immer wieder die Frage, inwiefern diese „Emerging Technologies“, also Technologien im Entwicklungszustand und mit u. U. maßgeblichem Veränderungspotential für Branchen, eingesetzt werden können, um zukünftige Lösungen nachhaltig zu verbessern. Wir glauben hier stark an die gute Macht der Technologie und dabei geht es für uns immer auch ganz konkret um die Frage, wie sich eine eingesetzte Technologie denn auswirkt. Um es an einem Beispiel darzulegen, fragen wir schon mal: „Wie geht’s der Donau damit?“ oder „Wie geht Frau Müller mit der neuen Technologie um?“. Das ist natürlich sehr knapp und metaphorisch formuliert, hilft jedoch, sich mögliche Konsequenzen auf einer globalen Ebene vor Augen zu halten. Man muss sich diesem
Thema stellen und früh in einer Entwicklung darauf achten, dass Lösungen nachhaltig sein können. Das ist der Mindset, den wir haben.«
Gibt es ein konkretes Beispiel für ein Start-up, wo der Wissenstransfer von der klassischen Forschung an der Universität hin zum Start-up bzw. aktivem Unternehmen gegangen ist?
Dr. Stelzer: »Das Start-up NVision ist hier ein echtes Musterbeispiel, da es eine langjährige Reise hinter sich hat und ganz lange noch im Schoß der Forschung war. NVision brachte grundlegende Erkenntnisse aus der Quantenphysik in die aktive Anwendung und ermöglichte so, herkömmliche MRT-Geräte ohne großen Umrüstungsaufwand für die Visualisierung von Stoffwechselprozessen in Echtzeit zu nutzen. Bei Krebskranken könnten damit beispielsweise die Wirksamkeit von Therapien und der Krankheitsverlauf besser beobachtet und beurteilt werden. Auch der Einsatz in anderen medizinischen Anwendungen ist denkbar. Notwendig für den Transfer der Forschungsergebnisse in die aktive Anwendung war ein Vehikel, eben genau dies zu ermöglichen: Labore werden benötigt, außerdem Material und auch Mitarbeitende. Als Wissenschaftler geht man üblicherweise in die Industrie. Um aus einer Universität heraus ein Start-up zu gründen, braucht es eine gesunde Portion Gestaltungswillen und vor allem auch aktive Unterstützung. Ich glaube, dass hier noch viel Potential übersehen wird. NVision
ist diesen Weg gegangen und ist nun ein Hightech-Unternehmen mit über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es mangelt noch an diesen alternativen Karriereformen mit agilem Arbeitsumfeld. Es muss nicht jeder ein Start-up gründen, aber das Aufbrechen von Strukturen und das Fördern von unternehmerischem Denken sollte unterstützt werden. Egal, ob man schon Unternehmer ist oder während dem Studium etwas beginnen und aufbauen möchte: Gemeinsam können wir die Zukunft gestalten! Das ist es, was wir vermitteln möchten.«
»Wir betrachten Lösungen auf ihre Anwendbarkeit und Auswirkungen auf die Umwelt und auch die Lebensumstände der Menschen. Das ist das Mindset, das wir haben.«