Interview mit Prof. Dr. Markus Schmid zur Bizerba-Fertigungslinie an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Das Balinger Unternehmen Bizerba stellt der Hochschule Albstadt-Sigmaringen eine innovative Fertigungslinie zum Schneiden, Verpacken und Auszeichnen von Aufschnitt wie Käse oder Wurst im Einzelhandel oder in mittelständischen Industriebetrieben zur Verfügung. Wir sprachen mit Prof. Dr. Markus Schmid, er ist Leiter des Sustainable Packaging Institute SPI in der Forschungsfabrik auf dem Sigmaringer Innovationscampus.

Herr Prof. Dr. Schmid, viele Menschen kennen den Balinger Hersteller Bizerba von Waagen, die in vielen Discountern und Supermärkten aufgestellt sind. Für was wird die bereitgestellte Anlage bei Ihnen am SPI genutzt?
Prof. Dr. Schmid: »Die Anlage ist eine tolle Umgebung, um unsere neu entwickelten Packmittel unter realen Bedingungen zu testen. Wir schneiden damit Lebensmittel auf und überführen diese dann in Verpackungen. Da wird unter Schutzgas verpackt, gewogen und etikettiert. Alleine in diesem Prozess der Verarbeitung, des Transports und der Einlagerung von Lebensmitteln gibt es zahlreiche Innovationen, um Verpackungen nachhaltiger zu machen. Es ist für uns nicht immer möglich, einfach zur Lebensmittelindustrie zu gehen, um dort unter Umgebungsbedingungen Tests zu fahren. Die Anlage von Bizerba ermöglicht uns, unsere nachhaltigeren Verpackungskonzepte direkt bei uns vor Ort auf deren Verarbeitungseigenschaften zu prüfen.«

„Die Anlage von Bizerba ermöglichst uns, unsere nachhaltigeren Verpackungskonzepte direkt bei uns vor Ort auf deren Verarbeitungseigenschaften zu prüfen.“

Wiegen, verpacken, transportieren, lagern – worin genau liegen für Sie in diesen Bereichen Innovationen, wozu möchten Sie beitragen und was sind Ihre langfristigen Ziele?
Prof. Dr. Schmid: »Wir versuchen mit unserem Team einen Beitrag zu einer nachhaltigen, kreislauforientierten Bioökonomie zu leisten. Die nachhaltigste recyclingfähige Verpackung bringt nichts, wenn sie nicht angewandt wird oder durch Kunden nicht akzeptiert wird. Ich sehe unsere Aufgabe hier also nicht nur darin, innovativ zu sein, sondern auch, aus Innovationen Anwendungen zu entwickeln: Wir benötigen echte Produkte, die unter realen Bedingungen funktionieren und dann z. B. für den Kunden beim Einkauf im Supermarkt auch funktional sind. Neue Materialien wie etwa biobasierte Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen können wir mit unserer Fertigungsanlage testen und Fragen nachgehen, wie wir damit Lebensmittel effektiver als bisher verpacken können. Wir arbeiten an intelligenten Verpackungen mit Indikatoren zur Haltbarkeit, an Verpackungen, die anzeigen, ob Lebensmittel noch genießbar sind, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten ist. Man stelle sich Farbwechsel von Grün auf Orange vor, um Konsumenten über die Haltbarkeit zu informieren. Das erhöht die
Lebensmittelsicherheit und kann außerdem Abfälle vermeiden. Über 25 Prozent der Lebensmittel, die auf den weltweit bestellten Agrarflächen erzeugt werden, werden zu ungenutzten Abfällen! Hoch funktionale und intelligente Verpackungen schützen
Lebensmittel und können Abfälle reduzieren. Damit können wir einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten.«

„Hoch funktionale und intelligente Verpackungen schützen Lebensmittel und können Abfälle reduzieren. Damit können wir einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten.“

Sie begeistern sich für Ihr Thema – wie sah Ihr eigener Weg in die Wissenschaft aus?
Prof. Dr. Schmid: »Wissenschaftler ist Berufung, nicht Beruf. Man sollte Neugier und Interesse mitbringen, Wissen anzuwenden. Ich selbst bin gelernter Fleischermeister und habe mich dann zum Studium der Lebensmitteltechnologie entschlossen. Das hat ein regelrechtes Feuerwerk an Glühbirnen gezündet, als ich Sinn und Gründe dahinter verstanden habe, warum viele Dinge in der Praxis getan werden, wie sie eben getan werden. Wenn man einen wissenschaftlichen Rahmen zum eigenen Thema hat, wird vieles auf einmal sehr klar und deutlich. Das war wie eine verborgene Welt, die sich mir geöffnet hat. Nach dem Studium wollte ich schon aus Neugier dabeibleiben, wissen, welche Türen sich noch öffnen lassen. Daher habe ich mein Handeln in den Dienst der Wissenschaft gestellt. Ich möchte Forschung und Lehre vereinen, Kenntnisse weitergeben und in die Praxis überführen.«

Eine lebenswerte Welt zu erhalten, ist auch für viele junge Menschen ein großes Thema. Nun haben Jugendliche ein Studium in aller Regel noch vor sich und manchmal sind Studiengänge inhaltlich nicht immer klar greifbar. Wie können sich interessierte junge Menschen bei Ihnen einbringen, um »ihr« Thema zu finden?

Prof. Dr. Schmid: »Man muss nicht studiert haben, um bei uns erste Forschungsluft zu schnuppern. Wir freuen uns über alle interessierten Schüler:innen. Bei uns lief erst kürzlich ein Schülerpraktikum. Der Zugang zur Forschung ist im Endeffekt auch eine eher zeitliche Barriere: Realschüler:innen oder Gymnasiast:innen können das Wissen noch nicht haben, das Forschende mit beendetem Studium oder abgeschlossener Promotion haben. Es ist daher auch ein zeitlicher Weg, den man einschlägt und natürlich gehört Durchhaltevermögen hier wie überall dazu. Hat man ein Thema, das einen antreibt, kann das eine große Motivation sein. Aber wenn ich von der Metzgerlehre zur Leitung eines Forschungsinstituts gekommen bin, dann schaffen das andere auch. Ich möchte alle jungen Menschen dazu ermutigen, Personen und Stellen bei Interesse einfach anzuschreiben. Schnuppern geht immer, fragen auch!

„Frei nach dem Motto „Es braucht nicht viel, es braucht nur viele“ kann jeder für ein Thema brennen und dann auch einen Beitrag leisten.“

Ich halte die Forschung, die wir hier machen, für äußerst relevant. Ich gehöre mit Baujahr 1980 gerade noch in die Generation X. Die Generation Z ist etwas anders geprägt, sie sucht noch stärker nach „Purpose“, nach einem Sinn der eigenen Tätigkeit. Den können wir hier bieten. Frei nach dem Motto „Es braucht nicht viel, es braucht nur viele“ kann jeder für ein Thema brennen und dann auch einen Beitrag leisten.«

Freuen sich über die enge Zusammenarbeit von Hochschule und Bizerba (v.l.): Der Sigmaringer Wirtscha􀁇sförderer Uwe Knoll, Prof. Dr. Markus Schmid, Innova􀁆ons- und Rela􀁆onsmanager Andreas ter Woort, Andreas W. Kraut und Prof. Dr. Ma􀁋hias Premer (Prorektor Forschung, Transfer und Entrepreneurship)